Im Auftrag des bundesweiten Netzwerks "Junge Familie" wurde jetzt ein Konsensuspapier namhafter Fachleute zu Empfehlungen zur Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden Mutter veröffentlicht.
Es wurde von B. Koletzko, A. Brönstrup, M. Cremer, M. Flothkötter, C. Hellmers, M. Kersting, M. Krawinkel, H. Przyrembel, T. Schäfer, K. Vetter, U. Wahn und A. Weißenborn erarbeitet und in der Zeitschrift "Monatsschr Kinderheilkd" (2010) Heft 7 Band 158 S. 2 - 11) publiziert.
Der Inhalt des Konsensuspapiers wird hier zur besseren Lesbarkeit gekürzt wiedergegeben. Den Volltext finden Sie ... [WS nicht erreichbar]
Allgemeine Empfehlungen
Stillen: das Beste für Mutter und Kind
Die beste Form der Ernährung für gesunde Säuglinge in den ersten Lebensmonaten ist das ausschließliche Stillen. Auch Teilstillen ist wertvoll. Eltern sollten sich zur Praxis des Stillens beraten lassen.
Empfehlungen zum Stillbeginn
Müttern sollte unmittelbar nach der Geburt Hautkontakt mit ihrem Baby ermöglicht werden. Das erste Anlegen an der Brust sollte, wenn möglich, innerhalb der ersten 2 h nach der Geburt erfolgen.
Empfehlungen zur Stilldauer
Im 1. Lebenshalbjahr sollten Säuglinge gestillt werden, mindestens bis zum Beginn des 5. Monats ausschließlich. Das gilt auch für Kinder mit erhöhtem Allergierisiko. Auch nach Einführung der Beikost – spätestens mit Beginn des 2. Lebenshalbjahres – sollten Säuglinge weiter gestillt werden. Die Stilldauer insgesamt bestimmen Mutter und Kind.
Empfehlungen zur Stillintensität
Stillhäufigkeit nach Bedarf des Kindes: Zeitpunkt und Dauer bestimmt das Kind In den ersten Lebenswochen wird die Mehrzahl der Kinder 10- bis 12-mal in 24 h angelegt. In besonderen Situationen kann es notwendig sein, das Kind zu einer Stillmahlzeit zu wecken.
Auswahl von Säuglingsmilchnahrungen
Wenn nicht oder nicht voll gestillt wird, soll das Baby eine industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrung erhalten. Säuglingsanfangsnahrungen („Pre“- oder „1“-Nahrungen) sind zur Fütterung von Geburt an und für das gesamte 1. Lebensjahr geeignet. Sie können nach Bedarf des Kindes gefüttert werden.
Wenn Folgenahrung („2“-, „3“-Nahrung) verwendet wird, soll sie frühestens mit Beginn der Beikostfütterung eingeführt werden.
Zur Wirkung von Probiotika (Milchsäure bildende Bakterien) und Präbiotika (nicht verdauliche Kohlenhydrate), die gesundheitsfördernde Effekte auf das Kind ausüben sollen, liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Vorteile der Zugabe von Pro- und Präbiotika zu Säuglingsnahrungen sind derzeit nicht zweifelsfrei.
Die Säuglingsmilchnahrung soll nicht aus Milch oder anderen Rohstoffen selbst hergestellt werden.
Spezialnahrungen für Säuglinge sollen nur nach Rücksprache mit dem Kinder- und Jugendarzt gefüttert werden.
Empfehlungen zur Auswahl von Säuglingsmilchnahrung bei Allergierisiko
Nicht oder nicht voll gestillte Säuglinge, deren Eltern oder Geschwister von einer Allergie betroffen sind, sollten im ersten Lebenshalbjahr eine HA-Säuglingsnahrung (HA: hypoallergene Nahrung) erhalten (mindestens bis zum Beginn des 5. Monats). Säuglingsnahrungen auf der Basis von Sojaeiweiß, Ziegen-, Stuten- oder einer anderen Tiermilch sind nicht zur Allergievorbeugung geeignet.
Empfehlungen zur Zubereitung der Säuglingsmilchnahrung
Säuglingsmilchnahrung sollte immer frisch vor der Mahlzeit zubereitet werden. Zubereitete, aber nicht getrunkene Säuglingsmilchnahrung sollte verworfen und nicht für die nächste Mahlzeit aufbewahrt und aufgewärmt werden. Zur Zubereitung von Säuglingsmilchnahrung aus Pulver sollte frisches Trinkwasser (Leitungswasser) verwendet werden, dazu das Wasser vorher ablaufen lassen, bis kaltes Wasser aus der Leitung fließt.
Kein Trinkwasser aus Bleileitungen verwenden. Trinkwasser aus Hausbrunnen sollte nur nach Prüfung der Wasserqualität verwendet werden. (Bei Hausleitungen aus Blei oder bei ungeprüften Hausbrunnen soll abgepacktes Wasser verwendet werden, das „für die Zubereitung von Säuglingsnahrung geeignet“ ist.
Empfehlungen zu Flaschen und Saugern
Flaschen und Sauger sollten nach jeder Mahlzeit gründlich gespült und sorgfältig gereinigt werden. Gummisauger sollten gelegentlich ausgekocht werden (bei Silikonsaugern nicht erforderlich).
Beikosteinführung
Beikost sollte frühestens mit Beginn des 5, spätestens mit Beginn des 7. Monats eingeführt werden.
Auch nach der Einführung der Beikost sollte weiter gestillt werden.
Empfehlungen zu Abfolge und Auswahl der Beikost
Die Beikostgabe sollte dem Schema des Ernährungsplans des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) folgen.
Abwechslung durch Variation der verwendeten Beikostzutaten ist erwünscht (verschiedene Gemüse- und Obstarten; kleine Mengen Nudeln bzw. andere Getreideprodukte, vorzugsweise aus Weizen, im Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei; gelegentlich auch fettreicher Fisch anstelle von Fleisch).
Der Ernährungsplan gilt auch für Kinder mit erhöhtem Allergierisiko. Die Meidung oder spätere Einführung von häufiger Allergie auslösenden Lebensmitteln bietet keinen Schutz vor Allergien.
Beikost für den Säugling kann selbst gekocht oder fertig gekauft werden – beides hat Vorteile.
Bei der Auswahl der Fertigprodukte sind folgende Kriterien hilfreich:
Empfehlungen zu Milch und Milchprodukten in der Beikost
Trinkmilch (Kuhmilch) sollte im 1. Lebensjahr nur in kleinen Mengen (zur Zubereitung eines Milch-Getreide-Breies) gegeben werden.
Empfehlungen zu Getränken
Erst wenn der dritte Beikostbrei (Getreide-Obst-Brei) eingeführt ist, braucht das Baby zusätzliche Flüssigkeit. Das Getränk sollte bevorzugt aus Becher oder Tasse gegeben werden.
Säuglinge sollten zur Beikost bevorzugt kalorienfreie Getränke erhalten.
Das beste Getränk fürs Baby zusätzlich zur Milchernährung ist Trinkwasser (Leitungswasser). Es muss nicht abgekocht werden, sondern so lange ablaufen, bis kaltes Wasser aus der Leitung fließt. Alternativ können auch ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees angeboten werden.
Es soll kein Trinkwasser aus Bleileitungen verwendet werden. Wasser aus Hausbrunnen sollte nur nach Prüfung der Eignung verwendet werden.
Dauernuckeln und die „Flasche zum Einschlafen“ sind unbedingt zu vermeiden, da hierdurch ein stark erhöhtes Risiko für eine gestörte Zahngesundheit ausgelöst wird. Getränke können aus Becher oder Tasse angeboten werden.
Empfehlungen
Jeder Säugling braucht Vitamin K, Vitamin D und Fluorid.
Empfehlungen zum Essen
Stillende Frauen sollten abwechslungsreich, ausgewogen und regelmäßig essen.
Stillende Frauen sollten keine Reduktionsdiäten durchführen (nicht durch Kalorienrestriktion gezielt abnehmen).
Diätetische Einschränkungen für die Mutter in der Stillzeit haben keinen erkennbaren Nutzen für eine Allergieprävention beim Kind und werden nicht empfohlen, zumal sie das Risiko einer unzureichenden Nährstoffversorgung bergen.
Stillende Frauen sollten nach Möglichkeit 2-mal wöchentlich Seefisch verzehren, davon mindestens 1-mal wöchentlich fettreichen Fisch (z. B. Hering, Makrele, Lachs, Sardine).
Empfehlung zum Trinken
Stillende Frauen sollten reichlich und regelmäßig trinken (z. B. 1 Glas Wasser zu jeder Stillmahlzeit).
Stillende sollen Alkohol meiden.
Stillende sollen auf das Rauchen verzichten, insbesondere
Empfehlung zum Thema „Medikamente“
Medikamente sollen während der Stillzeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden.
Empfehlung zu Supplementen für die stillende Frau
Während der Stillzeit sollten zusätzlich zur Verwendung von Jodsalz (mit Jod angereichertem Kochsalz) Jodtabletten (100 Mikrogramm Jod/Tag) eingenommen werden.
Eltern allergiegefährdeter Säuglinge sollten für eine allergen- und schadstoffarme Umgebung sorgen:
Auch allergiegefährdete Kinder sollten nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission geimpft werden.
Autoren:
B. Koletzko1 · A. Brönstrup2 · M. Cremer3 · M. Flothkötter4 · C. Hellmers5 · M. Kersting6 · M. Krawinkel7 · H. Przyrembel8 · T. Schäfer9 · K. Vetter10 · U. Wahn11 · A. Weißenborn12
1 Kinderklinik und Poliklinik, Dr. von Haunerschen Kinderspital, Klinikum, Ludwig-Maximilians-Universität München
2 Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Bonn
3 Idstein
4 aid infodienst Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz, Bonn
5 Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Hebammenwissenschaft, Fachhochschule Osnabrück
6 Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE), Dortmund
7 Institut für Ernährungswissenschaften, Justus-Liebig-Universität Gießen
8 Berlin
9 Institut für Sozialmedizin, Universität Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
10 Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin
11 Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Charité Mitte, Berlin
12 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin
Stand: Juni 2010
* Anmerkung: im Original wird hier der Begriff "Kernaussagen" verwendet.